Jede Tätowierung verblasst mit der Zeit. Wer die Bilder auf der Haut richtig pflegt, kann den Prozess aufhalten
Von Monika Holthoff-Stenger, Aktualisiert am
Wenn Apotheker Dirk Vongehr die Arme vor dem Oberkörper verschränkt, ist das ein Hingucker. Unterhalb des linken Bizeps krabbelt eine Biene über die Haut, auf dem Ellenbogen prangt der Schild des Superhelden Captain America: zwei rote Kreise und ein roter Stern auf blauem Grund.
„Rot ist das Biest unter den Tattoo- Farben“, erzählt Vongehr. Die Farbe verursache beim Stechen mehr Schmerzen, löse häufiger Allergien und Entzündungen aus und verblasse schneller als andere. Vongehrs älteste Tätowierung ist 25 Jahre alt.
Auf diese Aspekte ist bei Tattoos zu achten
Dass die Körperbilder des Kölner Apothekers kaum gealtert sind, ist kein Zufall. Er hat sie von Anfang an konsequent gepflegt. „Jedes Tattoo verändert sich mit den Jahren. Aber wenn man zum Stechen ein professionelles Tattoo-Studio wählt, die Farbe in gesunde Haut stechen lässt, die Wunde richtig versorgt, verheilte Bilder täglich eincremt und sie vor UV-Licht schützt, hat man ein Leben lang Freude daran.“
Mehr als jeder fünfte Bundesbürger ist tätowiert. Doch: „Jede neue Tätowierung verletzt die Hautbarriere und birgt das Risiko einer Infektion, einer allergischen Reaktion oder einer unerwünschten Hautveränderung“, sagt der Mainzer Hautarzt Dr. Uwe Kirschner. Solche Komplikationen kommen bei sechs Prozent der Tätowierungen vor, schätzt er. Sie mindern die Aussicht auf ein schönes Bild auf der Haut, weil die Wunde schlechter verheilt. Mit der richtigen Vorbereitung lassen sich Entzündungen und Allergien aber vermeiden.
Im Studio ist die Hygiene entscheidend
Hygiene ist beim Stechen sehr wichtig. Denn Erreger können ins Gewebe oder in die Blutbahn ein- dringen und eine Infektion, etwa mit Hepatitisviren, auslösen. Spontane Tätowierungen am Urlaubsstrand sind deshalb keine gute Idee. Im Studio sollte der Tattoo-Bereich klar von anderen Räumlichkeiten getrennt und desinfiziert sein. Tätowierinnen und Tätowierer sollten eine Einmal-Nadel benutzen und regelmäßig ihre Handschuhe wechseln. Weiterer Risikofaktor: die Tinte.
Was genau in den Farben steckt, die unter die Haut gelangen, ist oft unbekannt. „Die Qualität und Verträglichkeit wird nicht systematisch kontrolliert.
Letztlich kann auch jemand, der seine Tinte sorgfältig auswählt, nicht sicher sein, hochwertige Farbe zu erhalten“, kritisiert Kirschner. Vor allem metallische Bestandteile wie Chrom, Quecksilber, Kobalt und Nickel können Kontaktallergien und Entzündungen auslösen. Wer auf Metalle allergisch reagiert, sollte deshalb vor dem Stechen einen Allergietest machen. Das Geld ist gut investiert: Einmal im Körper, lassen sich allergieauslösende Farbpigmente nämlich nur beseitigen, indem das Tattoo herausgeschnitten wird. Das Risiko langfristiger Gesundheitsschäden durch die Fremdstoffe in der Haut ist nicht ausreichend untersucht.
Wichtige Voraussetzung: gesunde Haut
„Die Wenigsten lassen sich vor einer Tätowierung ärztlich beraten“, sagt Kirschner. Menschen mit Neurodermitis, Schuppenflechte oder vielen Muttermalen sollten klären, ob ein Tattoo für sie infrage kommt. „Menschen mit Diabetes und schlecht eingestelltem Blutzuckerspiegel würde ich wegen der oft schlechten Wundheilung und der Neigung zu Entzündungen abraten. Ebenso Patientinnen und Patienten mit heller, stark sonnengeschädigter Haut. Ein Tattoo wird da meist nicht schön“, so der Dermatologe.
Vor dem Tätowiertermin sollte die Haut nicht selbst rasiert werden. Und: nicht unmittelbar vorher Sport treiben! „Die Haut ist wegen der stärkeren Durchblutung empfindlicher, das Tätowieren schmerzhafter“, sagt Apotheker Vongehr.
Mit jedem Tattoo wird eine Wunde verursacht
Mit 120 Stichen pro Sekunde schleust die Tattoonadel Farbpigmente in die Lederhaut. „Dabei entstehen mikrofeine Verletzungen wie bei einer Schürfwunde“, erläutert Kirschner. Weil der Körper sich gegen die injizierten Stoffe und die Verletzung wehrt, kann die Haut nach dem Stechen für einige Tage gerötet, geschwollen oder empfindlich sein.
Professionelle Tätowiererinnen und Tätowierer schicken ihre Kunden mit einem desinfizierten, eingecremten und in Folie verpackten Tattoo nach Hause. Nach etwa drei Stunden kann der Schutz abgelöst werden. Dass sich darunter Blut und Wundwasser sammeln, ist normal. Das Tattoo mit lauwarmem Wasser abwaschen, mit einer fusselfreien Mullkompresse aus der Apotheke trocken tupfen und für einige Tage mit einem atmungsaktiven Wundverband bedecken.
Erst wenn eine dünne Haut das Kunstwerk überzieht, kommt panthenolhaltige sowie parfüm- und zinkfreie Heilsalbe zum Einsatz. „Drei- bis fünfmal täglich über zwei Wochen hinweg auftragen. Aber nur dünn, damit die Haut atmen kann“, rät Vongehr.
Verkrustet das Tattoo, sei Disziplin gefragt. „Auch wenn es aussieht, als sei das Bild gebrochen: keinesfalls abkratzen!“ Mit dem Schorf entfernt man unter Umständen auch Teile des Tattoos, die Haut vernarbt. „Stattdessen eincremen, bis er sich vollständig von selbst ablöst“, so der Apotheker. Während der Abheilung auf Sonne, Sauna, Schwimmen, Sport und starkes Schwitzen verzichten.
Tattoos können Krebs verstecken
UV-Strahlung setzt auch älteren Tattoos zu: Sie zerlegt die künstlichen Farbstoffe in der Haut. Die Pigmente werden abtransportiert und reichern sich in Lymphknoten und Leber an. Was die Farbpigmente langfristig im Körper anrichten, ist noch unklar, doch die optischen Folgen sieht jeder. Das Tattoo verblasst, die Konturen werden unscharf. Ältere Tätowierungen brauchen täglich gute Feuchtigkeitspflege und Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor (mindestens 50).
Bunte Körperbilder erschweren außerdem die Früherkennung von Hautkrebs. Sie kaschieren neue und veränderte Muttermale. Deshalb empfiehlt Uwe Kirschner umso mehr ein regelmäßiges Hautkrebs- Screening. „Unter einem großflächigen Tattoo kann sich Hautkrebs wunderbar verstecken“, sagt der Dermatologe. „Da ist es unwahrscheinlich, dass man Hautveränderungen selbst bemerkt.“